16.06.2010 - Gebirgssteppe

Pass - Fluss Ider - Ikh-uul - Tosontsengel - irgendwo in der Steppe 293 km
 
Die Nacht war sehr kalt, so um die 0°. Gegen 6:30 Uhr stehen wir auf. Meine Freunde erinnern mich grinsend an meinen, glücklich vergessenen Vorsatz vom Vortag mich heute im Flüsschen zu waschen. Hätte ich nur nichts gesagt. Wenn ich aber nicht weiterhin beim öffnen der Motorradkombi vor mir selbst zurückschauern möchte, bleibt mir keine andere Wahl. Ausziehen, eine sandige Stelle suchen und hinein – mit stockt der Atem und ich denke das Herz bleibt stehen. Ich vermute, dass meine Waschbewegungen sehr hektisch waren und nach einer Ewigkeit (keine 2 Minuten) bin ich fertig. Danach fühle ich mich aber wesentlich besser und die Umgebungstemperatur kommt mir um 10° höher vor. Hendrik kann ich auch noch dazu überreden, Bretl macht lieber die Fotos.

Gegen 9:00 Uhr starten wir bei herrlichem Wetter weiter Richtung Khovsgol - See . Die Luft hat sich schon wieder auf fast 20° erwärmt. Scheint ein heißer Tag zu werden.

Nach der Überfahrt über einen Pass in ca. 2200 m Höhe erreichen wir ein wunderschönes Hochgebirgstal. Hier gibt es auch endlich wieder mal Wald. So muss es wohl in den Alpen vor 100 Jahren ausgesehen haben. In dieser Höhe (um die 2000m) liegt auch noch vereinzelt Schnee. Das Tal können wir für Übernachtungen im Zelt nur empfehlen. Überall hervorragende Plätze und immer reichlich Wasser.

Bald geht die Landschaft aber allmählich wieder in die gewohnte karge Steppe über. Es folgt in einem weiten Gebirgstal ein schöner Streckenabschnitt mit den typischen, wild angelegten Wegen im Steppengrasboden, meist glatt mit sanften Hügeln und gut zu fahren. Mein Selbstvertrauen kehrt zurück. Ich fahre wie im Rausch – 2., 3. 4. Gang rechts – links, rauf, runter – 50,60, 70 km/h – immer schneller. Die beiden anderen liegen schon zurück. Zum Glück meldet sich das Gehirn, ich halte an, kurze Pause. Torsten meint nur lapidar: "wir ließen Dich fahren und dachten, irgendwo da vorn wird er schon liegen". Ich fahre wieder langsamer.

Das Gelände wird schwieriger mit Schlaglöchern und Flugsandpassagen. Torsten und Hendrik haben sich wohl heute vorgenommen mal einen Sturz von mir umfangreich zu dokumentieren – ich glaube es ist so weit. 1. Indiz. Bretl ist hinter einer tiefen Bodenwelle abgestiegen und steht in erwartungsvoller Haltung mit gezückter Kamera in bester "Schussposition". 2. Indiz Die Stelle scheint so schwierig, dass sogar ein Einheimischer mit seinem 150er Motorrad zögert sie zu passieren. 3. Indiz Hendrik steht unauffällig am Rand, so dass seine Helmkamera (ich hatte beim letzten Stopp gesehen, dass er sie eingeschaltet und ausgerichtet hatte) das Geschehen gut erfassen kann. Und dann das Hindernis – wirklich gut gewählt. Eine tiefe Senke mit reichlich Sand – ich hasse Sand (zumindest seit dieser Tour). Keine Möglichkeit die Stelle zu umgehen, also durch. Im Stehen, kurz davor noch mal Bremsen, stoßweise Gas und durch. Denkste! Lenker verreist – Landung. Diesmal konnte ich den linken Fuß gerade noch so in Sicherheit bringen. Erste Frage – alles in Ordnung. Ich lache – aber kein Vergleich, was sich in den Mienen meiner lieben Mitreisenden abspielt. Man ist sichtlich zufrieden. Alles im Kasten? Dann könnt Ihr mir ja helfen mein Motorrad aufzuheben. Beide helfen, strahlend wie Kinder, bei denen ein Geschenk wesentlich größer ausgefallen ist als erwartet. Ich bin auch zufrieden. Nichts passiert und seinen Freunden etwas bieten können – unbezahlbar. Ich hoffe Hendriks Video trägt wenigstens dazu bei, dass mir später jemand sagen kann, was ich falsch gemacht habe.

Kurz darauf treffen wir an einer idyllischen Stelle am Fluss mit Wald 5 Neuseeländer. Die ersten Motorradtouristen, die wir treffen. Sie kommen gleich gelaufen. Sie wollen hier länger Rast machen, da einer von Ihnen sich beim Sturz den Fuß verletzt hat und sie noch nicht wissen wie schwer die Verletzung ist. Ich denke gleich an mich. Sie sind nicht weniger begeistern von uns als wir von ihnen. Sie wollen hier 3 Wochen die Gegend erkunden. So ca. 150 km am Tag. Nach kurzem Gespräch – von wo aus wohin, in wie vielen Tagen, welche Tagesstrecken usw., geht es weiter.

Bei zunehmender Hitze, es sind inzwischen 28°, bin ich ziemlich fertig und schlage eine Pause vor, möglichst im Schatten. Schon hat Bretl auf einer Passhöhe eine kleine Schutzhütte entdeckt. Etwas Essen, trinken und viel Kaffee – weiter geht´s.

Die Piste ist inzwischen recht schwierig – viel Sand. Es dauert auch nicht lange – längere tiefe Sandpassage, das Mottorad schlägt quer, ich springe diesmal gleich ab. Hinter mir Hendrik - bleibt nichts anderes übrig, als es mir nachzutun. Sein Flug sieht sehr gut aus, topp Haltung. Wir schauen uns an, nichts passiert – Lachen.

Die anschließende Pause nutze ich dazu, wie schon lange vorgenommen, einmal die Bedienungsanleitung zu meinem elektronischen Fahrwerk etwas genauer durchzulesen. Aha! Ich fahre also im Straßenmodus und das "ohne Gepäck". Hendrik und Torsten schauen mich verständnislos an, ihre Gesichter sagen alles. Ich verstelle die Federvorspannung auf Gelände und teste bei der Weiterfahrt die verschiedenen Dämpfungsstufen – "Normal" fährt sich am besten. Ich komme jetzt mit dem Motorrad viel besser zurecht – wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

Es ist eine Kunst auf den Strassen zu fahren, die auf der Karte bzw. Navi eingezeichnet sind, meist liegen wir mehrer Kilometer daneben. Bei den wilden Pisten sollte man die Karte auch so interpretieren, dass die eingezeichnete Hauptstrasse wohl die Wunschtrasse darstellt, wo irgendwann mal eine Strasse gebaut werden soll. Hauptsache die Richtung stimmt. Bei der nächsten Siedlung oder Brücke laufen die Wege eh wieder zusammen.

Trotzdem sind wir am nächsten Ort, wo der heutige Einkauf geplant war, irgendwie vorbeigefahren, so das sich die Etappe von 250 km auf 300 verlängert. Als wir den nächsten Ort Tosontsengel erreichen ist es schon recht spät. Also schnell einkaufen, Übernachtungsplatz suchen und Zelt aufbauen. Schnell was Essen, denn ich muss einen meiner Koffer neu einräumen. Die ewige Schüttellei hat so einiges zerstört. Unter anderem ist mein schöner Gewürzspender mit 10 verschiedenen Gewürzen zu Bruch gegangen und hat sich mit irgendeiner Flüssigkeit zu einer Gewürzpaste vermischt die jetzt im ganzen Koffer verteilt ist. Der der Kiste entströmende aromatische Duft kann mich über die Riesen Sauerei nicht hinwegtrösten. Alles was nicht bestens gepolstert war und zerbrechen kann, ist hin. Ein Wunder das der Notebook noch funktioniert.

Wir sind alle recht müde und gehen zeitig zu Bett. Es scheint eine milde Nacht zu werden, 14°.

Die Ruhe hier ist unvergleichlich.