09.07.2010 - Ukraine

Durchfahrt Ukraine über Kiew - Zhitomir - Riwne - Brody - Lemberg - Hlynytsi - Radymno kurz hinter der polnischen Grenze 978 km
 
6:30 Uhr – Torstens Weckruf. Ich fühlte mich besser als befürchtet. Aber die Aussicht, heute 1000 km fahren zu müssen machte mir schon etwas Angst. Und das noch bei den Horrorgeschichten, die über die hiesige Polizei erzählt wurden. In meiner Phantasie stellte ich mir die Polizeistationen als kleine Raubritterburgen vor und die Vertreter des Gesetzes als Landsknechte in Harnisch und Kettenhemd als Uniform. Und ich muss sagen, ich habe noch nirgendwo so viele Raubrit….. äh, Polizisten gesehen wie in der Ukraine. Aber der Reihe nach.

In der Nacht waren noch weitere Gäste angereist und langsam füllt sich das Gelände mit den unterschiedlichsten fahrbaren Untersätzen. Unsere Gastgeber waren auch schon wach, hatten Frühstück vorbereitet und dafür sogar ein Huhn geschlachtet.

Pünktlich 8 Uhr fuhren wir los. Einer unserer neuen Freunde begleitet uns noch zur Hauptstrasse bis zur ersten Raubritterburg. Da stand auch schon ein imposanter Wächter in seiner blitzsauberen Rüstung. Seiner Macht bewusst, lässig sein Schwert schwingend, schritt er langsam auf die Straße und bedeutete dem gemeinen fahrendem Volke, dass es anzuhalten hätte. Er hatte schon mit geübtem Blick die vielversprechendste Beute ausgewählt, da trat unser neuer Freund (ich glaub er heißt Kolja) auf ihn zu. Ich verstand noch, dass der Bewaffnete ihn fragte, wo wir herkämen und ob wir russisch verstehen. Da Kolja ihm erklärte dass wir kein Wort russisch können, sollte er dolmetschen. Kolja wimmelte ab. Leider verstand ich von dem folgenden Disput nichts mehr. Nach einiger Zeit drehte der Landsknecht sich um und ging schulterzuckend zu seinen Kumpanen zurück. Kolja kam lächelnd auf uns zu und gab uns noch ein paar Verhaltensregeln mit auf den Weg. Bis Kiew könnten wir ruhig 120 fahren, danach maximal 110 und wir sollten vorsichtig beim Überholen sein. Dann verabschiedet er sich von uns. Was auch immer dort besprochen wurde, ab da konnten wir völlig unbehelligt durchs Land ziehen, obwohl es von Bewaffneten nur so wimmelte. Wir wurden zwar oft neugierig beäugt und sogar manchmal "begleitet", aber nie angehalten.

Leider haben wir von dem schönen Land nicht viel gesehen – man müsste viel mehr Zeit für eine solche Reise haben. Besonders beeindruckt hat uns das schöne Kiew, obwohl wir die Stadt nur auf der Durchfahrt gesehen haben. Hierher möchte ich einmal zurückkehren.

Ansonsten bestand der Tag nur aus Fahren und kurzen Pausen um uns mit Kaffee "am Leben zu erhalten". Und dann, weit hinter Kiew, am späten Nachmittag wurden wir doch noch von einer Horde Landsknechte angehalten, die gerade ihr letzte Opfer erleichtert hatten. Der befehlshabende Raubritter hätte bei seinem schauspielerischen Talent besser Hofnarr oder Spielmann werden sollen. Lautstark und mit großen Gesten machte er uns und seinen Knechten die Schwere unseres Vergehens deutlich. Dann erklärte er uns, dass wir eine Sperrlinie überfahren hätten. Und das, obwohl wir schon seit mehreren km kein Fahrzeug mehr gesehen hatten. Wie Detlef uns geraten hatte, taten wir empört und sagten laut "njet, no, nein" und siehe da, alle Selbstsicherheit fiel von ihm ab wie ein Mantel. Er sah nur noch kläglich aus und scheucht uns davon. Wahrscheinlich müssen die Polizisten bei der Abzocke vorsichtig sein und dürfen nicht übertreiben – der einträgliche Posten ist sonst in Gefahr.

Vielleicht waren die Geschichten von abzockenden Polizisten auch übertrieben und ich tue den Milizionären Unrecht. Wir wurden jedenfalls auf unserer ganzen Reise in 4 Wochen nur zweimal angehalten, davon einmal abkassiert und das auch noch zu Recht.

Gegen Mitternacht ereichten wir endlich die polnische Grenze. Wir hofften auf schnelle Grenzabfertigung und es verlief auch recht reibungslos bis die nette Grenzbeamtin das kleine Problem in unseren Pässen entdeckte. Da stand doch im Einreisestempel ganz klein ein Grenzübergang für die Ausreise – 100 km nördlich von hier. Großes Problem – platitch straf. Jetzt wurden wir von einem zum nächsten Vorgesetzten weitergereicht. Schließlich bedeutete man uns im großen Verwaltungsgebäude zu warten, während unsere Pässe im "Chefzimmer" verschwanden. Nach einiger Zeit kam ein Beamter, gab uns die Pässe wortlos zurück und wir konnten die restlichen Formalitäten erledigen. Auf polnischer Seite wurden wir nach einigem Warten problemlos abgefertigt, so dass wir nach gut 2 Stunden die Grenze passierten.

Kurz hinter der Grenze fand Torsten für uns einen Übernachtungsplatz in der Nähe der Straße am Ufer eines Sees. Am liebsten wäre ich weitergefahren, da ich mich gerade recht munter fühlte und auch die zu erwartenden Hitze des nächsten Tages fürchtete. Aber als ich dann auf meiner Matratze lag, merkte ich, wie erschöpft ich eigentlich war

Zum Aufbauen meines Zelts für die paar Stunden war ich zu faul, spannte eine Plane übers Motorrad, kroch darunter und war auch sofort eingeschlafen.