22.06. - 23.06.2010 - durchs Gebirge

Altanbulag - Kyakhta - Novoselenginsk - Gusinoye Osero - Übernachtung im Gebirge ca. 200km weiter durchs Gebirge über ein Gebirgsdorf nach Babuschkin - Klyuevka 165 km

Wir sind am Baikalsee!
Dabei hätten wir das wohl schon gestern geschafft, wenn wir nicht versucht hätten den Weg abzukürzen. Die resultierende Anstrengung war dann so groß, dass ich am Abend des 22. nicht mehr in der Lage war etwas zu essen, geschweige denn, einen Reisebericht zu schreiben. Aber der Reihe nach.

Es ging alles prima los. Wir standen zeitig auf und waren gegen 9 Uhr wieder an der mongolisch russischen Grenze. Da wir die Zollformalitäten schon am Vortag abgewickelt hatten, konnten wir an den Wartenden vorbeifahren und waren recht schnell auf der russischen Seite. Auf Grund mancher schlechter Erfahrungen hatten wir uns auf eine längere Abwicklungszeit eingerichtet. Da war die Begegnung mit 3 montenegrinischen Bikern, die in umgekehrter Richtung unterwegs waren, eine willkommene Abwechslung.

Dann ging alles recht schnell. Wir konnten gar nicht so schnell die uns gegebenen Einreise- und Zollformulare ausfüllen, wie wir die einzelnen Kontrollstationen hinter uns ließen. Wenn wir nicht weiterkamen, half die sehr freundliche Zollbeamtin mit dem ergreifenden Lachen. Nachdem uns die Beamten noch glückliche Reise gewünscht hatten, ging es in die Stadt hinter der Grenze.

Beim Geldtausch war erstaunlich, dass in der Bank nur Dollarnoten ab einem bestimmten, aufgedruckten Datum akzeptiert wurden. So wurden aus unseren druckfrischen Banknoten (alle kurz vor der Reise bei einer Bank in Deutschland eingetauscht) eine ganze Reihe aussortiert und nicht akzeptiert. Dabei hatten wir auf den Rat gehört, nur Dollars würden in Russland akzeptiert. Das dürfte inzwischen völlig überholt sein. Überall wollte jeder nur Rubel haben und auf der Bank bekommt man Dollar genauso wie Euro problemlos umgetauscht.

Die Fahrt bis Novoselenginsk verlief dann auf gut asphaltierter Straße sehr zügig.

Beim Einkaufsstopp sind wir, wie so oft, auf den Dorftrottel gestoßen, was uns durch vorbeilaufende Dorbewohner mit eindeutigen Gesten mitgeteilt wurde. Dafür waren wir für einige Zeit seine besten Freunde, was er auch jedem Vorbeikommenden lautstark mitteilte.

Bei der Abfahrt hatten wir unseren ersten Defekt. Bei Hendriks Motorrad hatte sich ein Batterieanschluss locker gerüttelt. Ziemlich fummelige Sache und ohne Werkzeug, welches sich im Gepäck natürlich ganz unten befand, war da nichts zu machen.

Auf meinen Vorschlag hin, den Weg zum Baikalsee auf einer in meiner Karte (russischer Straßenatlas von 2008) eingezeichneten, angeblich zumindest teilweise befestigten Straße über das Gebirge abzukürzen, fasten wir den folgenschweren Entschluss unsere Route zu ändern. Dabei hätte uns die Schotterstraße dorthin, ebenfalls in meiner Karte als asphaltiert gekennzeichnet, schon warnen müssen. Hinter Gusinoye-Ozero am gleichnamigen See, noch am Fuße der Berge, ging die "Straße" dann bereits in parallele Feldwege über und mein Motorrad wehrte sich als erstes gegen unser Vorhaben – Plattfuß hinten in glühender Mittagssonne ohne irgendeinen Schatten bei 36°. Nach 3 missglückten Flickversuchen bauten wir das Hinterrad aus um einen Schlauch einzuziehen. Dabei stellten wir fest, dass der Reifen besonders innen stark beschädigt war. Also neuen Reifen aufziehen. Dass die meiste Arbeit dabei an Bretl und Hendrik hängen blieb, half mir auch nicht gegen die Hitze.

Nach gut 2 Stunden konnten wir endlich weiterfahren. Hendrik und ich standen kurz vorm Kollaps. Zum Glück kreuzten wir bald einen kleinen Gebirgsbach, in dem wir uns, lang ausgestreckt, erst mal abkühlten.

Kurz darauf begegneten wir 3 Russen auf einem hier typischen Dnjepr - Gespann. Nach kurzem Gespräch boten sie uns an, uns zu begleiten und den Weg über die Berge zu zeigen, da sie dasselbe Ziel wie wir hätten. Uns blieb eh nichts anderes übrig. Bei mehreren Zwischenstopps wurde reichlich mit einem Kleinkalibergewehr herumgeballert. Schutz gegen Mischka den Bär, wie sie uns erklärten. Der dabei getrunkene Wodka zusammen mit den Haschischzigaretten kann unmöglich ihre Zielsicherheit erhöht haben und unser Vertrauen in sie auch nicht. Zum Glück bestanden sie nicht darauf mit ihnen mitzutrinken.

Nach kurzer Zeit das erste für Hendrik und mich unpassierbare Hindernis. Massive Baumstämme, unbearbeitet, in Fahrtrichtung längs als Brücke über einen Fluss gelegt. Mit meinen Dackelbeinen komme ich da nicht rüber, also umkehren? Bretl balanciert alle 3 Maschinen auf die andere Seite. Nach ein paar weiteren Hindernissen, die Wasserdurchfahrten waren da das geringste Problem, eröffnen uns die Russen, dass das Ziel heute sowieso nicht zu erreichen ist und wir mit in ihr Haus im Wald kommen sollen. So richtig wohl ist mir nicht, obwohl ich da noch nicht wusste, dass sie uns bei der Brücke den falschen Weg gewiesen hatten. Ich war jedenfalls erleichtert, dass wir sie an irgendeiner Gabelung verloren hatten, was aber für uns bedeutete, dass wir uns im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Holzweg befanden. Bis zu der Erkenntnis mussten wir noch eine steile, lange Steigung auf einem durch Forstmaschinen aufgewühlten Waldweg überwinden. Bretl nahm das Hindernis noch problemlos. Ich hätte lieber warten sollen, bis Hendrik oben an kam. Als ich ihn dann kurz vor mir in einem wilden Salto über die Böschung fliegen sah bin ich vor Schreck auch gleich gestürzt. Nach mehreren Rufen regt sich was – Gott sei dank, nichts passiert. Die anschließende Bergung der Maschinen hat bestimmt über eine Stunde gedauert, wobei wir uns das Hochfahren der Maschinen und Schleppen des Gepäcks von Hendrik auf den Berg hätten sparen können, 500 m weiter war Schluss – Umkehr! Und das bei einbrechender Dunkelheit. Torsten wollte auf keinen Fall im Wald schlafen. Die Geschichte der Russen von Mischka hatte wohl seine Wirkung getan – ich hatte da mehr Angst vor den bekifften Russen. Im Gegensatz zur Mongolei waren wir hier keinem Menschen begegnet. Aber da war noch dieser Einsiedler in einem Bauwagen wenige km zurück den wir im Vorbeifahren gesehen hatten. Also nichts wie dorthin. Nach einiger Zeit haben wir die Stelle im Dunkeln wiedergefunden, bzw. zuerst haben die Hunde uns gefunden und mit wildem Gekläff begrüßt. Der Einsiedler ist Fedja, ein Waldarbeiter, der hier übernachtet, da ihm der tägliche Weg nach Hause zu weit ist. Natürlich dürfen wir beim ihm zelten. Sofort macht er uns Tee, bietet uns zu Essen an und stellt uns einen Kanister Trinkwasser zur Verfügung von dem wir uns am Zelt noch reichlich Tee kochen. Zum Essen haben wir keine Kraft mehr. Wie ich ins Zelt gekommen bin, weis ich nicht mehr.

Am nächsten Morgen, wie haben bis 9 Uhr geschlafen, hat Fedja für uns schon Tee und Frühstück vorbereitet. Er versucht uns den richtigen Weg zu erklären. Das Wichtigste, an der Brücke sind wir falsch gefahren. Zum Dank schenken wir Ihm zum Abschied eine LED-Taschenlampe.

Auf dem Rückweg müssen wir die Hindernisse vom Vortag alle wieder überwinden. Das Schlammloch, Bretl musste schon am Vortag alle 3 Maschinen dort durchwühlen, was nicht ohne gemeinsames Schieben ging, war jetzt nur noch zu überwinden in dem wir Zweige darüber legten.

Den richtigen Weg haben wir gefunden, aber nach einigen km ist auf Grund der vielen Umwege bei Hendrik der Tank so gut wie leer. Da sehen wir in einem breiten Tal den kleinen Ort Udunga mit dem Bauernhof von Sergei und seiner Frau Larissa. Sie sind besonders hilfsbereit, haben uns lecker bewirtet (ich habe einen großen Teil ihrer frischen Milchvorräte getrunken) und dann sogar noch 20l Benzin besorgt. Da Sergei nach ca. 15 min wieder da war, hat er es wohl bei irgendeinem Nachbarn geholt, denn die nächste Tankstelle ist ihrer Meinung nach gut 50 km entfernt – hier bestimmt eine Tagesreise. Seiner Frau habe ich dann noch eines unserer Ferngläser geschenkt – scheint ihr gefallen zu haben, denn bei unserem herzlichen Abschied lag sie auf dem Sofa und betrachtet von dort aus lachend die Berge. Sergei brachte uns noch auf den richtigen Weg. Ab da ging dann nichts mehr schief.  Abgesehen davon, dass 140 km durch das Gebirge über mehr oder weniger gute Forstwege vor uns lagen. Die wenigen leichten Stürze von Hendrik und mir vielen da gar nicht mehr in Gewicht. Sehenswert, wie bei einem unfreiwilligen Ausflug ins Unterholz Hendriks Maschine zwischen den jungen Birken stehen blieb.

Unterwegs haben wir an einem Fluss eine russische Familie im Lada Niva beim Wasserholen getroffen. Sie wohnen im wenige km entfernten Bergdorf. Es ist schon interessant, dass die Grundbedürfnisse wie Wasser, bei uns durch einfaches Hahnaufdrehen zu befriedigen, hier zeitaufwendige Familienausflüge erfordern Ich weis nicht, ob das bei schlechtem Wetter, vielleicht noch bis -40°, genauso lustig und entspannt abläuft. Ich glaube, wenn ich die Lebensweise hier so sehe, dass wir hier mit unseren Vorstellungen von einem glücklichen Leben völlig falsch liegen. Ich hatte zumindest nie das Gefühl, dass die Menschen unglücklich sind – ganz im Gegenteil. Vor der Weiterfahrt wollten sie uns auf jeden Fall noch fotografieren. Wir sind hier wohl schon etwas Exotisches, zumal wir hier auch Leute trafen, die noch nie am Baikalsee waren. Vor der Weiterfahrt wiesen sie uns an einer Gabelung noch den richtigen Weg.

Gegen 17:00 Uhr – Babuschkin am Baikalsee ereicht – Endlich !!!!

Im nächsten Ort, unweit des ehemaligen Hafens haben wir direkt am Wasser einen schönen Rastplatz gefunden. Das Wetter schlägt um, es kommt starker Wind auf. Kurz vor Sonnenuntergang setzt Regen und Gewitter ein.



 
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