08.07.2010 - Grenzübergang

Vyaznovatovka - Kursk - Ivanovskoje - Rylsk - ukrainische Grenze - Bikertreff hinter der Grenze 325 km

Kurz nach 6 sind wir bei bestem Wetter aufgestanden. Um munter zu werden nutzten wir die luxuriöse Waschgelegenheit mit fliesendem Wasser. Erstaunlich, dass sogar der Nachschub mit Frischwasser hervorragend klappte, nur schien das "Servicepersonal" weniger begeistert von uns zu sein. Der Fahrer würdigte uns keines Blickes. Nach einem starken Kaffee starteten wir Richtung Ukraine. Durch das große Mahnmal unweit des Dorfes wird uns bewusst, dass wir uns seit der Wolga in Gegenden befinden in der vor über 65 Jahren furchtbare Schlachten tobten. Bei den vielen Menschen aller Altersgruppen, die wir unterwegs getroffen haben, war es eigentlich erstaunlich, dass wir als Deutsche von niemandem auf den 2. Weltkrieg angesprochen wurden, zumal der durch die vielen Denkmäler und Plakate überall noch gegenwärtig ist.

Kursk umgehen wir auf einer neuen Umgehungsstraße und ersparen uns damit eine erneute Großstadtdurchfahrt. Da wir auf der recht eintönigen Strecke alle mit der Müdigkeit zu kämpfen hatten stoppten wir mehrmals um uns mit Kaffee und Energydrinks aufzuputschen.

50 km vor der Grenze, in Ivanovskoje ist es wieder soweit. Torstens Vorderrad ist platt. Es dauerte gar nicht lange, hielt ein Motorradfahrer und fragte ob er helfen kann. Da dachten wir noch, dass wir das wieder so einfach hinkriegen wie an der Wolga. Nach dem üblichen woher und wohin beschrieb er uns noch die nicht weit entfernte Werkstatt seines Freundes, falls wir doch nicht klar kommen, dann fuhr er weiter. Torsten und Hendrik kämpften mit dem Reifen, da war ich überflüssig. Übermüdet wie ich war, nutzte ich die Gelegenheit für ein Nickerchen. Das ich mir dafür ausgerechnet eine Platz am Friedhofszaun gesucht hatte, war mir ganz entgangen. Muss ein makabres Bild gewesen sein. Egal, ich war sofort eingeschlafen. Leider nicht lange, weckte mich Hendrik: " Wir bekommen das Rad nicht hin und wollen mit dem Rad zu der Werksatt fahren und, nicht erschrecken, Dein vorderes Federbein ist hin." Ein kurzer Blick reichte, er hatte Recht, das tropfende Hydrauliköl war unübersehbar – toll! Während ich so wartend am Motorrad lehnte, hörte ich hinter mir: "….da möchte ich doch mal meine Landsleute begrüßen." Detlef lebt hier seit 5 Jahren mit seiner Frau Irina und 2 Söhnen und ihr Haus steht ausgerechnet da, wo wir eine Panne hatten. Er leitet hier ein Hilfsprojekt für Kinderheime und Irina ist hier Deutschlehrerin. Während wir uns unterhielten, kamen Hendrik und Torsten zurück, zusammen mit dem Werkstattinhaber, der selbst begeisterter Motorradfahrer ist. Detlef erklärt ihm mein Problem, er telefonierte mehrmals und nach ein paar Minuten hatte er ein Federbein organisiert. Wir müssten nur zurück nach Kursk fahren, dort würde es morgen früh bereitliegen. Wir entschlossen uns aber, erst mal zu testen, wie sich die Maschine fahren lies. Wie sich später zeigte, ging das besser als erwartet.

Nachdem das Rad wieder eingebaut war, lud uns Detlef noch auf einen Kaffee zu sich nach Hause ein. Eigentlich wollten wir endlich weiterfahren, aber bei so einem Zufall konnten wir nicht ablehnen. Es gab viel zu erzählen, wir natürlich über unserer Reise und er, wie er hier "hängengeblieben" ist und vieles mehr. Außerdem gab er uns Tipps, wie das so mit den ukrainischen Grenzbeamten und Polizisten funktioniert – nur nichts gefallen lassen.

Gegen 15:30 hatten wir dann endlich die ukrainische Grenze erreicht. Die russischen Beamten waren sehr neugierig. Begeistert von unserer Tour, machten sie uns keine Schwierigkeiten und fertigten uns zügig ab. Bei den Ukrainern dauerte es etwas länger. Hier auch das Spiel, auf das uns Detlef schon vorbereitet hatte. Zuerst erhalten die Spielteilnehmer die auszufüllenden Formular, natürlich in russisch, obwohl da auch russisch-englische liegen. Nach kurzer Kunstpause eröffnet der Beamte das Spiel mit der Frage, ob er die Formulare für alle Teilnehmer ausfüllen soll. Wird natürlich mit Ja beantwortet, jedem ist klar, dass es sonst wohl sehr lange dauert. Der Beamte beginnt langsam die ersten Felder auszufüllen und erzählt dabei, dass er dafür bestimmt ein Trinkgeld erwarten kann um am Abend ein Bier zu trinken. Man starte mit geringem Einsatz in Form von z.B. 5$ im Reisepass. Dabei platziere man sich so, dass die dahinterstehenden Reisenden nicht sehen, was da vor sich geht. Kurzer Blick in den Pass – "malo Piwo, malo Piwo", zu wenig Bier, und der Pass geht zurück. Also den Einsatz erhöhen. Nicht zuviel! Beim dritten Mal bleibt der Pass beim Spielführer. An seinen rollenden Augen kann man erkennen, dass er nicht ganz zufrieden ist, aber das Spiel geht ja noch weiter. Nachdem 2 Formulare ausgefüllt sind, wieder die Aufforderung zu setzen – "malo Piwo, malo Piwo". Nachdem der nächste Pass dann noch 2 mal hin und her ging, ist das Spiel vorbei und alle sind zufrieden – ab zum Zoll. Die Zöllner waren freundlich und wollten in erster Linie mit uns erzählen und nach reichlich 2 Stunden ist die Grenze "geschafft". Dann fragten sie uns noch, ob wir zu dem Motorradtreffen wollen, welches nur wenige km hinter der Grenze in den nächsten Tagen hier stattfindet. Natürlich wussten wir darüber überhaupt nichts. Dort mussten wir hin. Also ließen wir uns noch beschreiben, wo das ist. Nach kurzer Suche hatten wir den Platz auch schnell gefunden. Zwischendurch war Bretls Vorderrad wieder ohne Luft – wieder aufgepumpt haben wir die paar km aber noch geschafft.

Das Treffen, organisiert von einem großen ukrainischen Motorradclub den Route Brothers, begann zwar erst am nächsten Tag, aber die Organisatoren, Helfer und erste Gäste waren schon da und aufgebaut schien auch schon alles zu sein. Schnell waren wir umringt und mussten wieder viel erzählen. Beim Anblick der Bierfässer wollten wir natürlich gern ein Gläschen trinken, aber die wurden erst am nächsten Tag angestochen. Kein Problem – einer der Chefs schickte gleich jemand mit dem Auto los, für uns Bier zu holen. Nachdem die erste Neugier gestillt war begleiteten uns die 3 Organisatoren Sergej, Kolja und Ilja zu dem Platz, wo wir unsere Zelte aufbauen konnten. Der Platz für das Treffen ist gut gewählt. Wald und schöne Wiesen an 2 schönen Seen die zum Baden einladen. Aber zuerst musste Torstens Vorderrad wieder ausgebaut und diesmal ein Schlauch eingezogen werden. Das Bier war inzwischen auch da und zwischendurch gab es erst mal was zu Essen aus dem Kessel über dem Lagerfeuer. Um nicht wieder tatenlos rumzustehen während Torsten und Hendrik das Rad reparierten, habe ich inzwischen die Zelte aufgebaut. Danach sind wir erst mal im See baden gegangen. Später saßen wir mit am Feuer. Bei viel Samagon, Wodka, Brot mit Wurst und Speck wurde viel erzählt, auf russisch, englisch oder auch mit Händen und Füßen. Alle wollten uns überreden noch mindestens einen Tag zu bleiben. Diesmal war sogar Torsten fast schwach geworden, aber es blieb dabei, am nächsten Tag sollte es spätestens um 8 Uhr losgehen. Hendrik und Torsten gingen nach Mitternacht ins Zelt, ich blieb noch sitzen. Einige Zeit später kam Torsten zurück und "ermahnte mich streng": "Geh jetzt schlafen, sonst hängst Du morgen wieder durch" – "Da (Ja), Papa". Alles lachte. Er hatte ja recht. Morgen kann ich mich bestimmt vor Müdigkeit wieder nicht auf dem Motorrad halten.