06.07.2010 - Saratow

Alekseevka - Wolsk - Usovka - Saratow ca. 253 km

Beim Aufstehen erwartete uns strahlend blauer Himmel. Den Tag wollten wir etwas ruhiger angehen lassen - noch einmal ausruhen vor den langen Schlussetappen. Wir frühstückten ausgiebig und dösten in der Sonne, fotografierten oder beobachteten vorbeifahrende Schiffe. Da die Stelle zum Baden ungeeignet war, beschlossen wir gemütlich die Wolga entlang zu fahren und unterwegs eine schöne Badestelle zu suchen. In Wolsk fanden wir einen kleine Strand, der mir aber nicht gefiel, also fuhren wir weiter. Die Straßen waren wenig befahren und durch die Gewitter letzte Nacht waren die Temperaturen wieder angenehm. 80km vor Saratow verließen wir die Hauptsraße um über Nebenstraßen und unbefestigte Wege zum Wolgaufer zu gelangen. In der Nähe eines Dorfes fanden wir dort auch eine Badstelle, wo wir länger bleiben wollten. Die Wolga ist hier in viele Arme mit Buchten und Inseln verzweigt. Ein tolles Revier für einen Bootsurlaub.

Gegen Nachmittag zogen am Horizont bedrohliche Gewitterwolken auf und ein Unwetter kündigte sich mit noch weit entfernten Blitzen und Donner an. Keine Lust, den Rest des Tages im Regen zu verbringen, hatten wir unseren Plan, hier irgendwo zu Zelten, schnell geändert. Saratow bot sich an, wenigstens einmal während unserer Reise in einem guten Hotel zu schlafen und da noch genügend Zeit war, einmal in Ruhe eine schöne russische Stadt zu besichtigen. Schöner Plan – es kam aber alles ganz anders.

Wenige hundert Meter von unserer Badestelle entfernt – Platten, Bretl´s Vorderrad. Diesmal lies sich der Schaden zum Glück von außen beheben und mit knapp einer Stunde Verzögerung ging es endlich Richtung Saratow. Die Stadt fast erreicht, ist das Vorderrad wieder platt. Auch das zweite Loch war recht schnell gefunden und geflickt. Mit Verspätung aber nicht zu spät, erreichten wir das Stadtzentrum. Unterweg belehrte uns ein "tiefergelegter" Gullideckel, dass man auch hier keiner noch so gut asphaltierten Straße trauen durfte. Dank GPS hatten wir auch schnell das gesuchte Hotel direkt an der Wolga gefunden. Eine schöne Stadt – versprach ein schöner Abend zu werden. Die Zimmerpreise waren zwar nicht gerade ein Billigangebot, aber bezahlbar. Schnell war alles geklärt und ich wähnte mich schon frisch geduscht im luxuriösen Zimmer, da schlug beim Blick in meinen Pass das eben noch lächelnde Gesicht der Hotelangestellten in Entsetzen um. Seit der mongolischen Grenze vor über 2 Wochen nicht registriert - das geht nicht!! "Das ist ein seriöses Hotel!" Wir versuchten ihr zu erklären, dass wir Transitreisende sind und nirgends länger als 2 Tage waren und daher keine Registrierung brauchen. Nichts half, weder der Appell an ihr Mitleid mit den von der Reise schwer Gezeichneten noch Bestechung. Hendriks Pass schob sie nach kurzem Blick mit spitzen Fingern zurück als hätte er versehentlich an Stelle der 20 Dollar-Note ein Stück Klopapier hineingetan. Erst wenn wir bei der Polizei oder einer anderen zuständigen Behörde uns nachregistriert und Strafe bezahlt haben, können wir hier übernachten.

300 m weiter Gastiniza, auch nichts – Übernachtung nur bei mindestens 3 Tagen Aufenthalt. Ein deutscher Geschäftsreisender, den wir zufällig vorm Hotel trafen, nannte uns ein weiteres Hotel. Da es ebenfalls auf meinem GPS verzeichnet war, haben wir es schnell gefunden. Aber auch hier das gleiche Ergebnis. Nur das wie hier wesentlich unfreundlicher abgefertigt wurden. Was tun? Da, wo wir unsere Motorräder abgestellt hatten, war eine deutsche Kneipe und eine Disko. Und hier trafen wir auch wieder die freundlichen und hilfsbereiten Leute wie überall auf unserer Reise. Alle wollten mit uns fotografiert werden und irgendwas von unserer Reise erfahren. Alle sprachen durcheinander, auf russisch, deutsch und englisch. Bis wir endlich dazu kamen unser Problem zu erklären war wieder einige Zeit vergangen. Dann versuchte man uns zu helfen. Es gebe da eine Behörde, wo man sich auch abends noch registrieren lassen kann. Auf keinen Fall zur Polizei gehen, das gibt nur noch mehr Ärger. Also ein Taxi gerufen und dorthin gefahren. Ich blieb inzwischen bei den Motorrädern und hoffte, dass Torsten, Hendrik und mein Pass bald zurückkommen würden. Inzwischen unterhielt ich mich mit einem Russen, der scheinbar dort der "Anführer" war. Wir wollten wohl beide etwas lernen. Er sprach englisch, ich versuchte es mit russisch. Würden wir die Sprachen besser beherrschen, hätten wir mit Sicherheit nicht so viel gelacht.

Nach gut einer Stunde kamen meine Freunde zurück – natürlich erfolglos. Ich hätte mich auch gewundert, wenn in Russland nach 20 Uhr irgendeine Behörde noch arbeiten würde. Jetzt übernahm der Taxifahrer. Er wolle uns zu einem Hotel führen wo wir ohne Registrierung einchecken können. Nach 20 min Fahrt standen wir wieder vor dem ersten Hotel. Auf unseren Einwand, dass wir hier schon waren lächelte er nur. Mit den Damen an der Rezeption hielt er sich dann auch nicht lange auf und wenige Minuten später sprach er mit dem Besitzer des Hotels. Er kannte ihn wohl. Dann ging alles recht schnell. Die Motorräder im verschlossenen Hof des Hotels abgestellt, unser Gepäck ins Taxi verladen sollte es zu einem kleinen Gastinzia, nur 5min von hier, gehen, welches ebenfalls dem Hotelier gehörte.

Die unbeleuchtete, dreckige Seitenstraße und die unansehnlich Fassade lies ahnen, dass dort eine üble Absteige auf uns wartete. Aber welch Wunder. Hinter dem Eingang verbarg sich ein Minihotel mit 3 Doppelzimmern, für jeden eins, die den Vergleich mit einem guten Hotel in Deutschland nicht scheuen mussten. Bis wir endlich geduscht hatten, war es fast um 11 und ein Stadtbummel hatte wohl keinen Sinn mehr, zumal die vor wenigen Stunden noch vor Menschen überquellende Innenstadt inzwischen wie ausgekehrt wirkte. Wir haben noch etwas gegessen, unseren Ärger mit Wein runtergespült und dabei ein WM-Spiel angeschaut. Weit nach Mitternacht bin ich völlig erschöpft in mein Bett gefallen.

Noch etwas zu dieser Registrierung. Wie auch viele zuvor uns schon gesagt hatten: Wenn man im Transit durch Russland fährt bzw. nirgends länger als 2 Tage bleibt, muss man sich nicht registrieren lassen. Auch an der Grenze hat uns kein Mensch mehr danach gefragt.